
Es ist eigentlich so banal: Wenn wir unseren Mitmenschen wertschätzend begegnen und uns auch einmal in sie hineinversetzen, ist das nicht nur gut für unser Miteinander, sondern auch für uns selbst und unsere eigene Psyche. Ehrliche Wertschätzung anderen Menschen gegenüber sorgt für ein Wohlgefühl, es fühlt sich einfach gut und richtig an, auch dann, wenn wir nicht unmittelbar etwas zurückbekommen.
Was sich einfach anhört, scheint zu einer der größten Herausforderungen unserer Zeit geworden zu sein. Statt echter Wertschätzung, Empathie und Respekt finden wir eine aufgeheizte Stimmung, in der mit einer unverwechselbaren Härte und Kompromisslosigkeit kritisiert und mit dem Finger immer auf die anderen gezeigt wird. Besonders ausgeprägt ist das in den „sozialen“ Medien vorzufinden. Denn hier ist es möglich, anonym zu agieren, es erfordert weniger „Mut“, das Gegenüber anzufeinden, als im realen Kontakt und nicht zuletzt bieten geschriebene Worte viel Raum für Projektionen.
Wo uns im Alltag noch Freundlichkeit begegnet, ist diese doch recht häufig eine recht aufgesetzte, künstliche. Woher auch sollen die Menschen noch die Fähigkeit, das Gegenüber wirklich wahrzunehmen und sich darauf einzulassen, hernehmen, in einer Zeit, in der sie gehetzt durch das Leben galoppieren, um entweder gesellschaftlich nicht abgehängt zu werden, oder nach höheren Erfolgen und Ruhm zu streben, das sind die „Werte“ unserer Zeit geworden.
Kritik ist nicht generell schlecht, aber aktuell nimmt das Kritisieren und Schimpfen Überhand. Auch gibt es einen Unterschied zwischen konstruktiver und destruktiver Kritik. Erstere ist an Dialog und Lösungen interessiert, nicht einfach nur an der Abreaktion von Wut. Wütend sein ist an sich nicht falsch oder krankhaft, es kommt auf das Ausmaß, die Dauer und den Umgang mit der Wut an. Wenn wir in Wut verharren, verbittern wir.
Ich bin es leid, zu streiten. Ich bin müde von dieser gesellschaftlichen Atmosphäre. Meinen Mitmenschen möchte ich grundsätzlich mit Respekt und Wertschätzung begegnen und gute Beziehungen mit ihnen führen. Nicht immer nur um uns selber kreisen, auch einmal für andere da sein, insbesondere für geschwächte Menschen, die Hilfe benötigen. Ich finde, das sind Werte, für die es sich sehr lohnt einzustehen und sie zu leben. Sie sind aus der „Mode“ gekommen, aber wir können sie in uns wieder „anzapfen“, wenn wir das wollen und uns auch ein wenig Mühe dabei geben.
Wollen wir wirklich in einer Welt leben, in der wir uns nur noch streiten, bis wir irgendwann „durchdrehen“, nicht nur vor Wut, sondern vor Ohnmacht und Hilflosigkeit, Gefühle, die letztlich in dieser Dynamik, die nirgendwo anders hinführt, resultieren? Oder abgestumpft in Gleichgültigkeit flüchten? Wir können und müssen nicht alle Menschen mögen, manche sind uns unsympathisch. Denen können wir aus dem Weg gehen, ebenso wie Menschen, die sich destruktiv verhalten. Dann haben wir schon viel gewonnen.